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Der weiteste Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt: Visionäre der Kreislaufwirtschaft
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Der weiteste Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt: Visionäre der Kreislaufwirtschaft
Was veranlasst einen erfolgreichen Recycling-Unternehmer im gestandenen Alter von 68 Jahren ausgerechnet in einer krisengeplagten Zeit einige Millionen auf Pump in den weiteren Ausbau seiner Wiederaufbereitungs-Anlagen zu investieren? „Ganz einfach: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Baum pflanzen“, entgegnet Walter Feeß, Senior-Chef der Heinrich Feess GmbH & Co KG mit Blick auf den Klimawandel und einem ungewöhnlichen Ernst in der Stimme. „Mir geht es schon lange nicht mehr um persönliche Profilierung oder Bereicherung, sondern um eine lebenswerte Zukunft für die mir nachfolgenden Generationen und um meinen Teil an Verantwortung. Denn ich glaube, dass unsere Zunft im Hinblick auf die Themen Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft eine maßgebliche Schlüsselrolle hat, zumal sie mit über 220 Millionen weggekarrten Tonnen mineralischer Abfälle und Bauschutt jährlich einer der größten Abfallproduzenten ist – deutschlandweit und weltweit, Tendenz steigend.
Der Kirchheimer Recycling-Park der Firma Feess ist über die letzten zehn Jahre ein echter Wallfahrtsort für Kreislaufwirtschafts-Interessierte geworden, die nach real gelebten Umsetzungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeit im Bauwesen Ausschau halten. So sind hier mittlerweile nicht nur Politiker und Journalisten regelmäßig Gäste, sondern auch bis zu 2.000 Besucher und Schulungsteilnehmer jährlich, die sich in dem europaweit einzigartigen K3-Komptenzzentrums für Kreislaufwirtschaft über die gewaltigen Potenziale modernen Baustoff-Recyclings informieren.
Das K3-Komptenzzentrums als Herzstück des Unternehmens
„Im Prinzip ist dieses Zentrum das ideelle Herzstück unseres Unternehmens, weil hier die Weichen für eine nachhaltige Zukunft gestellt werden: Denn wir führen in den für angehende Entscheider und Studenten durchweg kostenfreien Seminaren* selbigen oft zum ersten Mal vor Augen, welche ungeheuren Hebel und Möglichkeiten die Bauwirtschaft im Hinblick auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft hat und welche hohe Qualität Ersatzbaustoffe durch entsprechende Aufbereitungsverfahren heute erlangen können“, erklärt der Recycling-Unternehmer.
Als anschauliches Beispiel verweist er auf das aus dem R-Beton Typ 2 der Firma Fees erbaute Kompetenzzentrum: „Dieser Beton enthält 30 Prozent Beton-Bauschutt-Mischung und lässt sich trotzdem in Sichtbeton-Qualität herstellen. Schließlich wurde der darin enthaltene Bauschutt nicht einfach durch irgendeinen Brecher gejagt, sondern mittels modernster Recycling-Technologie güteüberwacht aufbereitet. Damit ist er absolut gleichwertig einsetzbar, nur eben sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht viel sinnvoller.“
Begeisterung als Schlüssel zur Veränderung
Die meisten der Architekten, die das Kompetenzzentrum besuchen, halten das anfangs für unmöglich und sind entsprechend fassungslos, wenn das Referenten-Team ihnen das Gegenteil beweist. „Doch auch das ist Teil unseres Leitgedankens: Schließlich ist nicht die Vermittlung von Wissen, sondern vor allem die persönliche Begeisterung für die damit verbundenen Möglichkeiten der eigentliche Schlüssel für eine nachhaltigere Zukunft und der sicherste Garant dafür, dass diese Möglichkeiten zur Umsetzung finden", so Feeß.
„Wenn wir nun diese Möglichkeiten zu Ende denken und gemeinsam mit allen am Bauprozess Beteiligten in der täglichen Praxis umsetzen würden, könnten wir von den jährlich rund 550-600 Millionen Tonnen Schüttgüter-Bedarf langfristig zu einem großen Teil mit Recycling-Baustoffen ersetzen.“ Das setze jedoch vieles voraus, was Stand heute noch nicht gegeben ist:
Forderungen an Bund, Länder und Kommunen
Angefangen bei Gesetzen und Verordnungen, die das Große und Ganze im Auge behalten und rechtlich einforderbar sind. Als Beispiel nennt er die in der neuen Mantelverordnung beschriebene neue Grenzwertregelung für Sulfate. Die Maßstäbe sind so hoch angesetzt, dass sie für viele Bauunternehmer in der Praxis nur schwer erreichbar sind. Eine pragmatischere Orientierung wäre aus meiner Sicht sinnvoller – einfach, damit die neuen Vorgaben umsetzbar bleiben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie die Kreislaufwirtschaft also eher hemmen als sie zu fördern.
Ähnlich kritisch sieht er, dass absolut zielführende Regelungen wie die in Artikel 2 des Landes-Kreislaufwirtschafts-Gesetztes geregelten Pflichten und Vorbildfunktionen der öffentlichen Hand bezüglich der Wiederverwendung von Ersatzbaustoffen meist unbeachtet oder bei Nichtbeachtung ohne rechtliche Konsequenzen in Schubladen verstauben. „Dabei hat das Bundesumweltministerium schon 2014 sinngemäß erlassen: ‚Liebe öffentliche Verwaltung, ihr müsst mehr auf Ersatzbaustoffe setzen, sonst können wir die Klimaschutzziele von Kyoto und Paris nicht umsetzen‘. Sprich: Die öffentliche Hand könnte ein zentraler Hebel für die Kreislaufwirtschaft werden, wenn sie den künftigen Rückbau immer schon bei der Planung berücksichtigen, ihre Ausschreibungen konsequent produktneutral formulieren und mehr R Beton zulassen würde.“
Aus dem gleichen Grundgedanken heraus ruft Feeß die Kommunen auch dazu auf, grundsätzlich Aufbereitungsplätze genauso wie Kindergärten in kommunalen Flächennutzungsplänen vorzusehen ebenso wie produktneutrale Formulierungen in öffentlichen Ausschreibungen. Denn ansonsten müssen Bau- und Recyclingunternehmer weiterhin Jahr um Jahr umsonst für etwas kämpfen, das die allseits geforderte Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgedankens erst möglich macht. Schlussendlich ginge es also um die Bereitschaft aller Seiten dazu zu lernen und sich im Denken wie im Handeln aktiv und gemeinsam auf nachhaltigere Wege in eine bessere Welt zu begeben, resümiert der Visionär.
Vielfach ausgezeichnet
Für sein eigenes Denken und Handeln wurde Walter Feeß bereits im Jahr 2016 mit dem Deutschen und vier Jahre später mit dem Baden-Württembergischen Umweltpreis ausgezeichnet. Der damalige Umweltminister Franz Untersteller argumentierte in seiner flammenden Laudatio: "Konzepte auf dem Papier sind das eine. Aber wir brauchen auch immer wieder Akteure, die das umsetzen. Walter Feeß ist ein Pionier. Wir brauchen mehr Feeß im Land."
Auf die Frage, wohin die Reise seiner Einschätzung nach hingeht, meint der Preisträger im Brustton der Überzeugung: "Ganz klar in Richtung Recycling, Wiederverwertung und Kreislaufwirtschaft.“ Und zwar nicht nur aus ökologischen, sondern ebenso aus ökonomischen Gründen: Weil Primärrohstoffe wegen der zunehmenden Verknappung immer teurer werden – ebenso wie Transportwege und Deponiegebühren.
Wirtschaftliche und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ziele sind also definitiv keine Gegensätze. Sie bedingen einander. Als mir Ministerin Hoffmeister-Kraut 2018 die Wirtschaftsmedaille überreichte, erwähnte sie anerkennend, dass wir 'einen erfolgreichen Betrieb hätten, obwohl wir uns in außerordentlichem Maße für die Umwelt einsetzen' würden. Ich möchte hier noch einen draufsetzen und behaupten: "Nicht obwohl, sondern weil wir uns für die Kreislaufwirtschaft und eine hohe Qualität von Ersatzbaustoffen einsetzen, stehen wir heute so gut da."
Kreislaufwirtschaft als zentraler Teil der Lösungsfindung
Ohnehin könne am Ende des Tages allen die großen Herausforderungen der Zukunft ohne mehr Kreislaufwirtschaft nicht gelingen, ist Feeß überzeugt. „Sie ist und bleibt ein zentraler Teil der Lösungsfindung. Darum können und müssen wir Bauunternehmer mit unserem ureigensten Tun aktiv unseren Beitrag gegen den Klimawandel und für den Schutz natürlicher Ressourcen leisten, wenn wir uns und den nachfolgenden Generationen nicht den eigenen Ast absägen wollen.“
Das gelte genauso für die Primärbaustoff-Hersteller, die ihre Vorkommen eben auch nur einmal ausbaggern können. Auch für sie wäre es sinnvoller, auf den fahrenden Zug aufzuspringen und einfach ihre Preise entsprechend anzupassen. „Denn dann verdienen sie weiter und unsere Rohstoffe bleiben uns trotzdem länger erhalten."
Ganz besonders gelte sein Aufruf aber für Politiker, Gesetzgeber und Vertreter er öffentlichen Hand, "Denn die haben mit ihren Steuerungsmöglichkeiten und ihrer maßgeblichen Vorbildfunktion vermutlich den größten Hebel in der Hand."
Vorreiter und Pioniere
Doch selbst der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt: „Deshalb brauchen wir überall Vorreiter und Pioniere, die neue Wege und Lösungen aufzeigen und andere dabei mitnehmen. Ein Großteil der von uns getätigten Investition dient vorrangig diesem Zweck – so auch unser Kompetenzzentrum.
Ein aktuelles Beispiel ist die speziell für die Aufbereitung von Kunstsandrasen erworbene Aufbereitungsanlage, die in Kombination mit unserer Nassklassieranlage jährlich rund 11.000 Tonnen Kunstrasen in Quarzsand und Kunststoff aufteilt und stolze 99 Prozent der Wiederverwendung zuführt anstatt sie als Abfall auf Deponien zu fahren.
Denn genau das ist der Grundgedanke von Kreislaufwirtschaft: Verwertung vor Beseitigung“, so Feeß. „Wie so oft waren und sind wir auch diesbezüglich deutschlandweit einer der ersten Betriebe mit so einer Ausstattung. Während andere unserer Pilot-Projekte wie unsere Nassklassier-Anlage mittlerweile viele Nachahmer gefunden haben – was aber absolut in unserem Sinne ist.“
Ein einzigartiges Gesamtkonzept
„Nach wie vor einzigartig ist die Einbettung in unser Gesamtkonzept, das an dieser Stelle von den rund drei Millionen Liter Fassungsvermögen umfassenden Zisternen, mit denen wir rund 95 Prozent des Wasserbedarfs abdecken können, bis hin zur Ersatz-Humus-Herstellung reicht. Der hierfür gewonnene Natursand aus der Nassklassieranlage ist wiederum einer der Grundstoffe, der bei uns eben nur noch aus 100 m und nicht 100 km Entfernung angeliefert werden muss."
Reicht uns die Zeit?
Auf die Frage, ob die Zeit noch reiche, meint Feeß: "Einer meiner Bekannten aus der Wissenschaft verglich unsere Arbeit mal mit der einer Popcorn-Maschine: Anfangs verliefe der Prozess über eine ganze Weile nur sehr schleppend und vereinzelt an. Bis dahin irgendwann eine exponentielle Welle den Popcorn-Behälter in kürzester Zeit zum Bersten bringen würde. So ähnlich läuft des bei uns mit der Kreislaufwirtschaft und unser Kompetenzzentrum ist ein wichtiger Schlüssel dafür.“
Die sonstige Entwicklung tut das ihrige hinzu und Länder wie die Schweiz machen uns diesbezüglich vieles vor: Einfach weil ihr Leidensdruck durch die viel kleinere Fläche und die hohen Mautgebühren ein viel größerer ist.
Der Mensch braucht die Natur. Nicht umgekehrt.
„So war auch die Schweizer Eberhard Recycling AG: für mich der Ort, an dem ich selber mich vor rund 12 Jahren mit der Kreislaufwirtschaftsidee zum ersten Mal infiziert habe“, erinnert sich Feeß. „Denn bei meinem ersten Besuch bei diesem Unternehmen transformierten sich meine bis dato vordergründig ökonomischen Überlegungen schlagartig in eine tief empfundene Faszination für die unglaublichen Möglichkeiten innovativen Baustoff-Recyclings. Ebenso wie meine Einsicht in unabdingbare Notwendigkeiten: Wenn wir als Spezies überleben wollen – müssen wir wieder mehr im Einklang mit unserem Planeten leben. Denn der Mensch braucht die Natur. Nicht umgekehrt", schließt er das Interview und verweist auf das hinter ihm befindliche Bild eines Eisbären auf einer treibenden Scholle.“