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Ein Fanal für Recyclingbeton und den Umweltschutz
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Ein Fanal für Recyclingbeton und den Umweltschutz
Walter Feess ist ein Überzeugungstäter im besten Sinne, ein Macher und Schaffer – der oft die Welt nicht versteht. Mit dem ortsnahen Recycling von Bauschutt und dessen Wiederverwendung unter anderem in Recyclingbeton lassen sich Millionen von Lkw-Kilometern und damit CO2-Aus-stoß vermeiden und wertvolle Ressourcen gewinnen, lautet seine Botschaft.
„Ich bekomme Preise – und das war’s dann“, sagt der Inhaber eines Unternehmens aus Kirchheim/Teck im Landkreis Esslingen mit über 200 Mitarbeitern, das sich mit Erdbau, Abbruch, Bodenverbesserung, Entsorgung, Recycling und vielem mehr beschäftigt. Den Bundesumweltpreis hat Feess ebenso bekommen wie die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg, doch ihm wäre lieber, die Politik würde den Einsatz von Recyclingbeton fördern und fordern.
Ortsnahe Aufbereitung und Wiederverwendung schont die Umwelt
„Um die Klimaziele einzuhalten, müssen wir radikal umdenken“, sagt Feess. Es könne doch nicht sein, dass Bauschutt aus der Region Stuttgart nach Heilbronn und ins Elsass gefahren wird und für die Betonherstellung Kies aus Raststatt geholt wird. Jährlich würden in Deutschland über 200 Millionen Tonnen an Bau- und Abbruchabfällen anfallen; deren Transport über weite Strecken sei eine große Belastung für die Umwelt und die Menschen durch Feinstaub, Lärm, Stickoxide und CO2. Allein in Baden-Württemberg, so rechnet Feess vor, könnten durch eine ortsnahe Aufbereitung und Wiederverwendung über 25 Millionen Lkw-Kilometer und über 30 000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Flächen für Recyclingbetriebe gefordert
Die Erkenntnis scheint sich langsam durchzusetzen. Ein Positionspapier der Bauwirtschaft Baden-Württemberg fordert daher unter anderem, in der Bauleitplanung Flächen vorzusehen, auf denen sich Recyclingbetriebe ansiedeln können. Ansonsten würde deren Ansiedlung regelmäßig an Widerständen aus der Bevölkerung scheitern.
Pilotprojekt in Stuttgart-Ost
Seit etwa einem Vierteljahrhundert beschäftigt sich sein Unternehmen mit Recycling von Baustoffen, an-fangs aus wirtschaftlichen Gründen. 2010, erinnert sich Feess, sei er gefragt worden, ob er sich an einem Pilotprojekt beteiligen möchte. Der Bau- und Wohnungsverein Stuttgart plante in der Rotenberg-, Ecke Raitelsbergstraße in Stuttgart-Ost die Realisierung von 108 Wohnungen nebst Tiefgarage mit Recyclingbeton (R-Beton). Dies war damals in Baden-Württemberg Neuland, deutschlandweit sei es erst ein Mal umgesetzt worden, erinnert sich Feess, obwohl R-Beton damals schon zugelassen war.
R-Beton hat sich beim Bau- und Wohnungsverein bewährt
„Wir müssen alle etwas tun, auch in der Breite und nicht nur bei Leuchtturmprojekten“, bestätigt Jürgen Oelschläger, Vorstand des Bau- und Wohnungsvereins. Der Einsatz von Recyclingbeton habe sich bewährt und das Unternehmen habe auch danach mehrere Projekte mit R-Beton realisiert. Oelschläger würde es begrüßen, wenn es mehr Anbieter von R-Beton geben würde, und dann das Material noch öfter einsetzen.
Forschungsprojekt bestätigt R-Beton
Ein seit anderthalb Jahren abgeschlossenes dreijähriges Forschungsprojekt der Universität Karlsruhe, der Heidelberg Cement, des Ifeu-Instituts Heidelberg und anderer Partner aus der Industrie hätte die Gleichwertigkeit von R-Beton unter Beweis gestellt, sagt Feess.
Mit einer Delegation fuhr er seinerzeit nach Zürich und schaute sich Krankenhäuser, Schulen, Wohnhäu-ser und andere Gebäude an, die mit R-Beton errichtet worden waren. „In der Schweiz bin ich infiziert worden“, sagt der Pionier. Er hätte sich davor nicht vorstellen können, dass aus Bauschutt so guter Beton hergestellt werden könne. Eine Voraussetzung dafür sei die saubere Trennung, Sortierung und Aufbereitung der Baumaterialien.
R-Beton soll in öffentlichen Ausschreibungen verbindlich werden
„Die Stadtverwaltung Zürich hat damals schon in Ausschreibungen R-Beton verlangt“, erinnert sich Feess. Er fordert, dies auch in Deutschland zu tun, dann würde die Umwelt doppelt profitieren, durch die Einsparung von Treibhausgasen und wertvollen Rohmaterialien. Es wäre schließlich keine Lösung, die Abbaugebiete für Kies und Sand – beides wichtige Bestandteile von Beton, sogenannte Zusatz-stoffe – weiter auszudehnen. Kies und Sand gewinnt Feess aus Bauschutt mit einer Recyclingquote von bis zu 90 Prozent. Dazu hat er als einer der ersten in Deutschland eine Anlage aus Irland gekauft, die genau das kann. „Wir geben dem Sand und den Steinen ein zweites Leben“, wirbt er.
Recycling darf kein Zufall sein
Immerhin behandelt das Land bei Ausschreibungen R-Beton seit 2017 gleichwertig wie herkömmlichen Be-ton, beim Bund sei dies seit 2018 der Fall. Feess berichtet, er hätte sich dafür bei den Behörden eingesetzt. „Die derzeit geltenden Regeln müssen so angepasst werden, dass Recycling Methode hat und kein Zufall ist“, sekundiert der Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg.
R-Beton könnte bald wirtschaftlicher sein
„Wer heute Zusatzstoffe für Beton aus Recyclingmaterial herstellt, hat oft kein Betonwerk, das ihm diese abnimmt“, bedauert Feess. „Wir brauchen die Politik“, betont er. Neun Betonwerke hat Feess inzwi-schen gewonnen, die er täglich beliefert. R-Beton, argumentiert er, wäre heute kostenneutral, andere Recyclingbaustoffe in der Regel sogar um 20 Prozent günstiger. Wenn die Deponiekosten für Bauschutt weiter steigen und Kies- und Sand aus der Natur teurer werden, dann könnte R-Beton sogar preiswerter werden. Doch so lange will er nicht warten.
Eigenes Recyclingwerk aus R-Beton gebaut
„Ich kämpfe seit fünf Jahren für R-Beton“, betont er. Sein Recyclingwerk in Kirchheim/Teck hat er mit R-Beton gebaut, die Hallen, die Büros und ein Schulungszentrum, in dem er Interessierte von den Vorteilen des Recyclings und insbesondere von R-Beton überzeugen möchte. „19 Jahre lang habe ich für die Bau-genehmigung gekämpft“, sagt er.
Auf den Dächern hat Feess Photovoltaikanlagen gebaut, geheizt wird mit Holz, das er aus Bauschutt gewinnt. In Wassertanks mit 2,8 Millionen Liter Fassungsvermögen fängt er Regenwasser auf, um es bei-spielsweise für die Sortierung und Reinigung des Baumaterials zu verwenden.
Kompetenzzentrum Kreislaufwirtschaft Kirchheim/Teck
Teil des Betriebsareals direkt an der Autobahn ist das Kompetenzzentrum Kreislaufwirtschaft Kirchheim/Teck, kurz K3. Feess hat es gebaut, um den Besuchern zu zeigen, wie aus Beton- und Bauschuttabfällen sowie gebrauchtem Gleisschotter über 40 Recyclingbaustoffe entstehen, beispielsweise R-Beton, aber auch Frostschutzschichten für den Straßenbau oder Splitt. Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen sind hier möglich. Es sei das erste Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft in Deutschland, vielleicht sogar in Europa. Feess hat es privat finanziert.
Feess will vor allem Schüler und Studenten überzeugen
Inzwischen pilgern Besuchergruppen aus dem In- und Ausland zu ihm, 1600 Teilnehmer sind es bis Jahresende bei 72 Veranstaltungen. Eine Abordnung kam sogar aus Indien. Doch Feess setzt vor allem auf Schüler und Studenten und hofft, sie für die Kreislaufwirtschaft begeistern zu können. Von der Politik hätte er sich anhören müssen, dass die Recyclingquote ja bereits bei 90 Prozent liege, was ihn regelrecht auf die Palme bringe. Denn zur Recyclingquote würde es auch zählen, wenn beispielsweise Bau-gruben mit Bauschutt verfüllt werden.
Bauschutt ist zum Verfüllen zu schade
Doch dafür ist Feess dieses Material zu schade, er will es wieder für seinen ursprünglichen Zweck einge-setzt sehen. Um zu zeigen, wie es gehen kann, produziert er eigene Recycling-Zementmischungen und fertigt daraus sogenannte Öko-Stones in verschiedenen Größen, die sich beispielsweise zum Bau von Schüttgutboxen, Abgrenzungen, Stützmauern, zum Sichern von Böschungen oder zum Beschweren eignen.
Kreisstraße mit Recyclingmaterial gebaut
Ein Trost mag ihm sein, dass er nun ein Referenzprojekt quasi vor der Haustüre hat. Das Straßen-bauamt Kirchheim realisierte zwischen Schlierbach und Ohmden 2,6 Kilometer Kreisstraße mit 25 000 Ton- nen Recyclingmaterial. Für den Unterbau wurde Schotter eingesetzt, der aus recycelten Betonplatten, altem Schotter und Bauschutt gewonnen wurde. Feess steuerte 12 000 Tonnen Material bei. Auch der Asphalt besteht zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial der alten Straße.
Quelle: Immobilienbrief Stuttgart, Ausgabe 270, 19.11.2019, S. 2-6